Warum brauchen junge Schitourengeher heute zur Abfahrt fast so lange wie zum Aufstieg? Nein, es liegt nicht an ihrem schifahrerischen Können. Der wahre Grund: Sie müssen dazwischen immer wieder für Fotos posen oder die Aufnahmen ihrer Helmkameras checken. Die Möglichkeiten der Selbstdarstellung haben sich durch Social Media enorm gesteigert. „Muss man diese nutzen?“, fragt Jürgen Einwanger im 3D (Nov. 2010), einem Fachmagazin für Jugendarbeit des Österreichischen Alpenvereins. Besonders spannend sind die weiteren Fragen, die er sich zu dieser Entwicklung stellt: „Wie viel Inszenierung braucht ein Erlebnis heute?“ Und: „Was bleibt vom Erlebnis übrig, wenn ein Großteil der Aufmerksamkeit in die Inszenierung desselben fließt?“
Dieser Artikel lag wochenlang auf meinem Schreibtisch, weil ich keine Antworten auf diese interessanten Fragen fand. Meine Überlegungen bis jetzt dazu: Wahrscheinlich müssen wir in nächster Zeit noch häufiger nachsichtig sein. Die Begeisterung daran, alle sofort an allem virtuell teilhaben lassen zu können, ist im Moment einfach zu hoch. Wie bei vielen Technologien muss die Menschheit erst lernen, mit dieser Revolutionierung der Kommunikation umzugehen. Einerseits werden dann viele erkennen, dass Qualität wichtiger als Quantität ist, andererseits werden wir bereits bestehende Filtermöglichkeiten noch effektiver nutzen und weitere werden dazu kommen, um uns vor virtuellem Schrott zu schützen.
Nun bin ich ein Mensch, der gerne neuen Ideen und Technologien eine Chance gibt und die sich bietenden Möglichkeiten sieht, statt gleich nach den Gefahren zu suchen. Smartphones werden sich in diesem Jahr auf breiter Front durchsetzen. Wir fotografieren, filmen, hören Musik, chatten, mailen, lesen, shoppen, kommentieren, bewerten, finden Freunde, spielen Games, checken Routenpläne … – alles mobil. Gleichzeitig erlebe ich Jugendliche, die lieber zu spät zu einem Vorstellungsgespräch kommen, als auf ihr Handy zu verzichten, das zuhause liegen geblieben ist, Jugendliche, die ständig ihr Handydisplay kontrollieren, ob sie nicht einen Anruf überhört oder ein SMS übersehen haben, und daher unkonzentriert sind, Jugendliche, die ständig Mails und ihr Facebook-Profil checken, obwohl es vom Vorgesetzten verboten wurde und bereits ernsthafte Konsequenzen angedroht wurden … Die vielen permanenten Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten lenken nicht nur ab und führen zu Konzentrationsproblemen. Sie erzeugen vor allem Stress und die Angst, durch das Versäumen wichtiger Informationen seine Position im eigenen sozialen Netzwerk zu verschlechtern.
Für die Psychohygiene wird es notwendig, intelligent die Vorzüge der virtuellen Vernetzung in die reale Welt zu integrieren und zugleich auch ganz gezielt Freiräume zu schaffen für das JETZT – also eine Zeit ganz ohne Social Media, Handy, Photo- und Digicam. Doch werden Jugendliche und junge Erwachsene diese Freiräume akzeptieren, annehmen oder sogar selbst freiwillig nutzen? Ja – wenn der digitale Informationsüberfluss schon so groß und auch normal geworden ist, dass persönlich Erlebtes und in einem engen persönlichen Umfeld Erzähltes wieder als besonderer Wert wahrgenommen wird: cooles, selbst erfahrenes Insiderwissen ausgetauscht im Freundeskreis als Ausgleich zur virtual reality in der social community.
Hier geht´s zum Beitrag von Jürgen Einwanger: Macht die Inszenierung das Erlebnis?
Guter Post. Bestimt keine schlechte Sache, sich mit der Thematik genauer auseinander zusetzen. Werde sicher auch die weiteren Artikel lesen.
Danke!